Victualien – Lebensmittel. Dieser aus dem Lateinischen  entlehnten Begriff ist für viele positiv geladen. Märkte wie der Viktualienmarkt in München oder der Naschmarkt in Wien oder die lebendigen, bunten Märkte aus den sonnigen Urlaubstagen entstehen vor unseren geistigen Augen. Dabei haben Wochenmärkte in Ihren Ursprüngen wenig Romantisches. Die Geschichte der Märkte und insbesondere der Wochenmärkte begleitet ein Auf und Ab der Bedeutung. Die Entstehung dieser Märkte ist eng mit der Entwicklung unserer Städte verbunden. Historisch haben sich Märkte als Treffpunkte des Handels am wichtigen Wegkreuzungen gebildet. Geschichtlich belegbar gibt es sie bei uns seit dem 10.Jahrundert, mit Beginn der Ausbildung von Städten, an damals zentral gelegenen Siedlungen, wie Esslingen (um 800 n.Chr.) oder Trier (958 n.Chr.). Die abgehaltenen Wochenmärkte waren für die Bevölkerung zentraler Versorgungspunkt von Waren, die man nicht selbst herstellen konnte. Ein gut gepflegtes und gesichertes Wegenetz war die wichtigste Voraussetzung zur Belieferung der Märkte, wobei, wie z.B. in Frankfurt, auch Marktschiffe für die Förderung der Mobilität der Händler eingesetzt wurden. Die ökonomische Bedeutung der Märkte wurde früh erkannt. So lag das Recht einen Markt zu gründen beim König, der diese Macht aus finanziellen Gründen auch geistigen und weltlichen Herren verlieh. Denn ab dem 12. Jahrhundert wurden Marktzölle erhoben, damit verlieh der Besitz von Märkten neue Macht, insbesondere wenn neben  dem Marktrecht auch die Gerichtsbarkeit an die städtische Gesellschaft überging. Dies führte in den Städten zu einem neuem Selbstbewusstsein. Stadträte, Gilden und Zünfte entstanden und um den Marktort eine Ansammlung von Herbergen, Gasthöfen und auch Kirchen. Gut funktionierende Märkte waren ein Garant für eine stabile Erwerbsgrundlage, auch zu Zeiten von gesellschaftlichen Umbrüchen. Wobei der Marktplatz nicht nur Versorgungsort war, sondern als zentraler Versammlungsort auch Platz der politischen Auseinandersetzung. Auch durch das rasche Anwachsen der Städte und der Bildung der Großstädte im Zeitalter der Industrialisierung entstanden Stadtviertel, die ihre eigenen Wochenmärkte herausbildeten. Als unhygienisch empfundene Zustände führten insbesondere in den Großstädten zum Bau von Markthallen, wie zum Beispiel  in Berlin, wo einige die Kriege überdauert haben und in den letzten Jahren versucht wurde, diese neu zu beleben. Weit über die Mitte des letzen Jahrhunderts waren Wochenmärkte ein wichtiger Träger der Nahversorgung. So ergaben Zählungen im Jahr 1981, dass in 90% der Gemeinden ab 20.000 Einwohnern Wochenmärkte an 110.000 Markttagen auf 1.200 Marktplätzen abgehalten wurden. Zählt man die kleinen Orte dazu, dann kann man davon ausgehen, dass mindestens 2000 aktive Marktplätze in Deutschland zu dieser Zeit existierten.

Die Versorgungsbedeutung der Wochenmärkte veränderte sich mit der starken Niedrigpreisorientierung der Verbraucher und dem Aufkommen der Selbstbedienungsläden in Lebensmitteleinzelhandel grundlegend. Seit den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts bekommt der Wochenmarkt Konkurrenz durch leistungsstarke Anbieter die Deutschland mit einem flächendeckend Versorgungsnetz überziehen. Tragende Säulen sind die SB-Warenhäuser, Supermärkte und Lebensmitteldiscounter. Sie decken (2012) rd. 75% aller Lebensmittelstandorte ab. Die Discounter nehmen dabei den größten Marktanteil ein. Sie stellen mit ca. 42% den größten Anteil an allen Standorten. Erst in den letzten Jahren holen die Supermärkte wieder auf. Allen voran steht dabei die Edeka Gruppe, die mit neuen Marketing und Produktstrategien gegenüber den Discountern Aldi und Lidl  Boden gut machen. Heute teilen sich die fünf führenden Supermarktketten Edeka, Rewe, Aldi, Lidl und Metro rund 90 Prozent des Marktes. Die wieder wachsende Bedeutung der Supermärkte lässt den Schluss zu, dass für den Verbrauchern der Qualitäts- und Produktherkunftsgedanke einen neuen Stellenwert einnimmt. Dies belegt auch eine Studie der GfK 2013: Für jeden vierten Verbraucher spielen Nachhaltigkeitskriterien beim Lebensmittelkonsum eine entscheidende Rolle.

Dies bringt einen anderen Wettbewerber der Wochenmärkten ins Spiel: 1971 eröffnet der erste deutsche Naturkostladen in Berlin und setzt mit „Biologisch angebauten Produkten“ eine neue Qualitätsdimension in Gang, die die Wochenmärkte weiter unter Druck setzen. In den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts kam es zu einem Aufleben der Umweltbewegung. Die atomare Katastrophe in Tschernobyl und die Gründung der Partei „Die Grünen“ spielen hier auch eine wichtige Entwicklungsrolle, so dass der Naturkostladen mit dem Fokus auf biologischen Anbau an Bedeutung gewinnt. Der Erfolg dieses neuen Absatzkanals ließ den klassischen Lebensmittelhandel nicht kalt. Schnell sprangen Supermärkte und Discounter auf diesen Zug auf. Die Landwirtschaftliche Produktion in Deutschland stellte sich auf den neuen Abnehmerkreis ein. Sie gab es bereits Mitte der 80er mehr als 2000 deutsche Biobauern und im Jahr 2013 wurde auf einer Million Hektar Fläche ökologisch angebaut. Bis dahin hatten bereits die großen Bio-Supermärkte den damals mehr ideologisch angehauchten Naturkostladen weitgehend verdrängt.

In jüngster Zeit, verbunden mit anderen Werthaltungen wie Umweltbewusstsein, Reduzierung de Schwerlastverkehrs oder Heimat, rückt der Begriff „Regional“ in den Vordergrund. Mehr als 90% der Verbraucher kaufen mittlerweile am liebsten Ihre Lebensmittel mit Herkunft aus der Region. Die Qualität Bio verliert dabei an Bedeutung. Dabei sind Bioprodukte nicht immer teuerer als Regionale Lebensmittel. Dies führt zwischenzeitlich auch zu einer zunehmenden Beliebtheit von Bauernmärkten in den Städten. Auch hier reagiert der konventionelle Lebensmittelhandel: Die großen Supermarktketten wie z.B. REWE bieten Eigenmarken wie REWE Regional an. Derzeit genießen lt. Studien die Wochenmärkte gegenüber den Biosupermärkten noch einen größeren Vertrauensbonus, wenn es um die regionale Herkunft geht. Dahinter folgen aber bereits die normalen Supermärkte. Es ist erkennbar, dass die Wettbewerbslandschaft sehr dynamisch und umkämpft ist.

Dies macht deutlich, dass sich die Beschicker der Wochenmärkte auf Dauer nicht alleine auf die Qualität und Herkunft ihre Produkte bezüglich ihrer wirtschaftlichen Überlebensfähigkeit verlassen können. Wochenmärkte müssen zunehmend mit anderen Aspekten spielen und mit Neuem aufwarten. Ambiente, Erlebnis und Produktvielfalt werden hier mindestens eine gleichwertige Bedeutung bekommen. Wenn Stadtverwaltungen wollen, dass ihre Märkte ein nachhaltiger Magnet für Ihre Innenstädte sein sollen, dann müssen sie über die Ausgestaltung ihrer Wochenmärkte neu nachdenken. Dies fängt bereits damit an, dass Märkte keine „Verschiebemassen“ sein dürfen, die anderen Events bei Raumbedarf zu weichen haben. Ganz besondere Bedeutung wird zunehmend die Öffnungszeit, in Länge und Häufigkeit, des Marktes bekommen. Die Arbeitszeiten werden immer flexibler und damit verändern sich auch Einkaufszeiten und -gewohnheiten. Heute sind viele Märte längst abgebaut, wenn Berufstätige nach Hause kommen oder fahren. Die Aufenthaltsqualität der Märkte ist ebenfalls modern zu denken. Gastronomie ist ein wichtiger Bestandteil des Marktes, auch dies verlangt eine Anpassung der Marktzeiten. In unserer Untersuchung zum Fürther Wochenmarkt haben wir drüber hinaus eine Reihe von anderen Funktionsbedingungen erarbeitet. Soll der Wochenmarkt ein bedeutender Bestandteil der Innenstadt sein, dann reicht eine Ausrichtung als Versorger nicht aus, es gilt eine Attraktivität auszubauen, so dass der Markt auch eine touristische Anziehungskraft besitzt.

Dieses Potenzial wird bis heute leider von den meisten der Kommunen noch nicht erkannt.

 

 

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