„Die größte Rolltreppen-Ausstellung Deutschlands“. „Das bestversteckteste Shoppingcenter der Bundesrepublik!“ Wenn ich in meinen IREBS-Vorlesungen zum Thema Markt- und Standortanalysen das Beispiel City-Center Fürth behandelte, waren dies beliebte und sichere Lacher in der Zuhörerschaft. Wenn mich Horst Müller, Wirtschaftsreferent der Stadt fragte, was man denn aus dem City-Center machen könnte, war meine Standardantwort. „Am besten ein Altersheim mit Arschbackencafe“, was wiederum keinen Lacher erzeugte.

Okay! Auch mit 30 Jahren Berufserfahrung auf dem Buckel wird man auch mal eines Besseren belehrt. Ich gebe es zu und … ich freu mich riesig über diesen Irrtum. Das FLAIR, das einzigartige URBAN ERLEBNIS CENTER in Fürth mit rund 60 Geschäften und Restaurants sowie der größten Virtual-Reality-Welt in Deutschland, so die Reklame, hat am 17. September 2021 eröffnet.

Man muss die Geschichte kennen, um dieses Ereignis angemessen würdigen zu können. Das Center aus den 1980er-Jahren hatte neben den o.g. Attributen auch noch mit 351 in aller Welt verstreuten Eigentümer ein weiteres Kuriosum. Und wenn man noch für eine lächerlich kleine Teilfläche, die zur Entwicklungssperre mutiert, eine irrwitzige Mio.-Euro-Summe hinlegen muss, dann ist man als Investor komplett verrückt oder extrem mutig. Vielleicht ist es auch ein bisschen Stadtpatriotismus? Oder auch der Dank an die Stadt, die einem gute Entwicklungschancen an anderen Stellen ermöglichte? Nur Michael Peter wird die Antwort kennen.

Wie dem auch sei, es bleibt mir nur noch, meine Hochachtung und meine Glückwünsche zu entrichten. Warum?

Zum einen wurde das Center konsequent von ehemals 26.000 m2 auf 16.000 m2 verkleinert. Eine Maßnahme, die ich voll unterstützen kann, denn Fürth steht im starken Wettbewerb mit den langjährig entwickelten Innenstädten von Nürnberg und Erlangen, in denen, nebenbei gesagt, bedauerlicherweise seit Jahren Stillstand herrscht. Dennoch ist das Kaufkraftpotenzial für Fürth begrenzt und umkämpft.

Zum anderen hat man verstanden, dass es nicht um einen weiteren Mega-Markentextiliten in der Region geht. Das bekommt man in den Konkurrenzstädten zu Genüge. Markante Textiliten im klassischen Knochenprinzip positioniert, mit beliebten Marken in-Shop zum Entdecken stabilisieren das Center. Aber auch die Chance mittels Pop-up-Stores zum Ausprobieren und die geschickte Integration und Positionierung von beliebten regionalen Marken-Stores wie z.B. Blond erstaunen beim Bummeln und beim Beobachten der Kinder beim Spielen. Richtig gelesen! Angebotsthemen werden geschickt in die Nähe von Erlebnissen positioniert. Da hat man echt mitgedacht.

Kreatives Denken hat hier ihren fruchtbaren Boden gefunden. Die Positionierung der „Fressmeile“ wurde nicht in das Untergeschoss oder in die Obergeschosse, wie üblich, gedrängt, sondern in die Hauptfrequenzbereiche gelegt. Effekt beim Eintritt: Wow! Volle Hüte hier! Gestank? Nein, weil Qualität geboten wird.

Das besondere Highlight ist die Virtual-Reality-Arena, der angeblich größte VR-Spielplatz der Republik. Das Münchner Unternehmen Hologate World GmbH mietet dafür 1.300 qm von der P&P Gruppe. Kern sind VR-Multiplayer-Games, Bewegungs-Simulatoren und Escape-Rooms, die gegen Gebühr genutzt werden können.

Ein Urban Entertainment Center (UEC) ist ja nichts aufregend Neues. In den 90ern wollte man schon die Einkaufszentren mit Multiplexkinos, Musicals und Spielbanken spannender machen. War aber nicht so erfolgreich, da an den Konsumentengewohnheiten vorbei gedacht wurde. Aber in Fürth hat man die Zeichen der Zeit und das bevölkerungsspezielle Umfeldpotenzial gut erkannt und auf ein Modell gesetzt, das in Freizeitparks extrem gut ankommt. So lockt man die Jugend und die Junggebliebenen wieder in die Innenstadt.

Warum bin ich, trotz meiner langjährigen Vorurteile, so begeistert?

Wir reden schon lange, aber seit Corona besonders intensiv über die Überlebenschancen der Innenstadt. In dem von mir geleiteten Nürnberger IHK Arbeitskreis „Pulsierende Innenstädte“ entwickeln wir Konzepte zur Belebung der Zentren. Das ist inhaltlich stark und gibt aus meiner Sicht die richtigen Antworten. Und dann…

… eröffnet ein innerstädtisches Einkaufszentrum in diesem als Underdog lange Jahre verschrienen Underdog Fürth, das genau diese Elemente beinhaltet und uns zeigt, wie man es richtig macht.

Ja, Wunder gibt es immer wieder … und ich bin echt glücklich.

Danke Fürth! Danke an das Wirtschaftsreferat in Fürth, das sich auch von meinen, wenn auch gut gemeinten, Sprüchen nicht beirren ließ.